Unser heutiger Spaziergang lässt sich nicht nur einer Bodenseeregion zuordnen, sondern gleich zwei. Denn wir haben einen Spaziergang zu der Kunstgrenze gemacht, die sich auf der Landesgrenze zwischen Deutschland und der Schweiz befindet. Dadurch sind wir nicht nur in Konstanz, sondern auch in Kreuzlingen - nicht nur am Untersee, sondern auch in der Ostschweiz.
Das ganz Besondere an dieser Grenze am Bodensee ist ihre Geschichtsträchtigkeit, die über all die Jahre nie an Aktualität verloren hat.
Die Anfänge der Grenze und der Trennung zwischen Konstanz und Kreuzlingen finden sich in den Schreckensjahren deutscher Geschichte. Im Jahr 1939 erbauen die Nationalsozialisten zwischen den Grenzstädten den sogenannten 'Judenzaun', der die jüdische Bevölkerung daran hindern sollte, von Deutschland in die Schweiz zu flüchten. Auch Johann Georg Elser versucht im November '39 leider erfolglos von Konstanz in das neutrale Nachbarland zu fliehen.
Die damalige Grenze verläuft zwischen dem Kreuzlinger Zoll und der Wiesenstraße, sowie von der hiesigen Bahnlinie zum Ufer des Bodensees. Auch die Stadtteile Paradies und Tägermoos werden umzäunt. Im Jahr 1973 wird die Landesgrenze um das neu aufgeschüttete Areal 'Klein Venedig' erweitert, auf dem die heutige Kunstgrenze steht.
Erst im Jahr 2004, vorangetrieben durch die damaligen Bürgermeister der Städte Konstanz und Kreuzlingen, wird über den Abriss des Grenzzauns diskutiert. Zwei Jahre später kann das Vorhaben auch durch den Beitritt der Schweiz zum Schengener Abkommen umgesetzt werden.
Im April 2007 kommt es im Zuge eines grenzüberschreitenden Bürgerfestes zu der Eröffnung der Kunstgrenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen. Sie besteht aus 22 Einzelskulpturen des Künstlers Johannes Dörflinger. Die metallisch-rötlichen Kunstwerke sind 8 Meter hoch und aus Edelstahl gearbeitet, dessen natürliche Farbe am Sockel sichtbar ist.
Die Werke, wovon 16 Skulpturen exakt auf der Landesgrenze zwischen Deutschland und der Schweiz stehen, stellen die 22 Tarot-Trümpfe als Bedingungen der menschlichen Existenz dar. Der sogenannte Magier zieht diese Grenze bis in den Bodensee.
Während des ersten Lockdowns des Jahres 2020 hat genau diese Grenze, die als erste Kunstgrenze Europas ein ausnahmsloses Beispiel für freie Entfaltung ist, wieder an Brisanz gewonnen - als zur Eindämmung des Corona-Virus erneut ein Grenzzaun auf der Landesgrenze errichtet wurde. Eine Region, die so eng verknüpft ist, wie der Untersee und die Ostschweiz, waren von Neuem getrennt.
Die Guerilla-Kunst-Aktion 'Kreuztanz', die von den vier Konstanzern Bert Binnig, Friedrich Haupt, Stephan Kühnle und Torben Nuding in vierstündiger Arbeit und mit 2km Absperrband am Grenzzaun umgesetzt wurde, hat die schmerzliche Trennung einer über die Grenzen hinweg verbundenen Region aufgezeigt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass dieser Teil des Zaunes nach seinem Abbau zu einem Ausstellungsstück des Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württembergs wurde.